Haber, kommt da schon wieder was auf uns zu oder Fake?Neue extreme Partei? Das steckt hinter "Widerstand 2020"Die neue Partei "Widerstand 2020" hat angeblich bereits mehr als 100.000 Mitglieder. Stimmt das?
04. Mai 2020, 11:47 Uhr
LEHRTE | Mehrere Tausend Menschen sind am Wochenende in verschiedenen deutschen Städten wie etwa Stuttgart, München und Berlin auf die Straße gegangen, um gegen die aktuellen Corona-Maßnahmen der Bundesregierung zu demonstrieren. Unter ihnen deutlich sichtbar: Demonstranten, die sich dem "Widerstand 2020" angeschlossen haben – einer Partei, die nach eigenen Angaben bereits mehr als 100.000 Mitglieder zählt. Kann das sein und wer steckt dahinter?
Extremismusforscher Matthias Quent vom Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZV) in Jena sieht eine neue Gefahr heraufziehen. "Widerstand 2020" bilde "ein Kollektiv aus Unzufriedenen, Frustrierten, Verschwörungserzählern, Esoterikern, Impfgegnern, Antisemiten und Rechtsradikalen", schreibt er in einem Tweet.
"Gezielte Stimmung gegen Regierung und Behörden"
Zusammen mit Sandro Witt vom Verein Mobit, der sich in Thüringen gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus engagiert, warnt Quent zudem davor, dass Rechtsextreme in der Coronakrise Ängste schüren und neue Protestbewegungen vereinnahmen könnten. So werde die Krise etwa als ein Komplott von Angela Merkels Bundesregierung oder reichen Menschen wie Bill Gates dargestellt.
Dahinter stehe oft eine antisemitische Ideologie über eine angebliche jüdische Weltverschwörung mit dem Ziel eine "Neue Weltordnung" (NWO: "New Welt Order") gegen die deutsche Bevölkerung durchzusetzen. Auch die "Nürnberger Nachrichten" und der "Bayerische Rundfunk" (BR) kommen in einer gemeinsamen Recherche zu dem Ergebnis, dass "extreme Rechte die Gunst der Stunde nutzen, um gezielt Stimmung gegen Regierung und Behörden zu machen".
Laut Quent geben die Initiatoren des Widerstands gegen die Corona-Maßnahmen vor, weder rechts noch links zu sein, "sondern das Volk erwecken und vereinen zu wollen". Das trifft auch auf die Teilnehmer der Demos zu. Miro Dittrich, Experte für Verschwörungsideologien und Rechtsextremismus bei der Berliner Amadeu Antonio Stiftung meint gegenüber "Correctiv", eine Gemeinsamkeit sei, dass die Demonstranten sich als unpolitisch verstünden, dies äußere sich aber vor allem auch in einem fehlenden Ausschluss von rechtsextremen Akteuren.
Einer der drei Gründer von "Widerstand 2020" ist der Sinsheimer Arzt Bodo Schiffmann. Er wurde bekannt durch Youtube-Videos, in denen er die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie thematisiert. Man wolle "Widerstand gegen den politischen Umgang, den wir gerade erleben, gegen das Außerkraftsetzen unserer Grundgesetze und gegen die Machtausnutzung unserer Regierung" leisten, lautet das erklärte Ziel der neuen Partei. Als Sitz wird Lehrte in Niedersachsen angegeben. Die Anschrift des Bundesvorstands ist eine Adresse in Hannover – eine Büroadresse, die auch von der AfD in Niedersachsen genutzt wird.
In Thüringen beispielsweise versuche sich die AfD als Sprachrohr all derer darzustellen, die mit den Einschränkungen in der Coronakrise unzufrieden sind und schnell wieder zur Normalität zurückkehren wollen, sagt Quent. Bilder vom Wochenende zeigen zudem AfD-Politiker auch auf den besagten Demos – etwa in München.
Der AfD-Bundesabgeordnete und ehemalige Landesvorsitzende in Bayern, Petr Bryston, bei einer Demo gegen die Corona-Maßnahmen in München. imago images/Sachelle Babbar Der AfD-Bundesabgeordnete und ehemalige Landesvorsitzende in Bayern, Petr Bryston, bei einer Demo gegen die Corona-Maßnahmen in München.
Größer als die AfD?
Die Hürden einer Mitgliedschaft bei "Widerstand 2020" sind anders als bei anderen Parteien recht niedrig. Mit nur wenigen Klicks auf der Webseite kann man eine Online-Mitgliedschaft beantragen. So kommt die Partei mittlerweile bereits auf mehr als 100.000 Mitglieder (Stand: Montag, 4. Mai). Damit wäre der "Widerstand 2020" bereits größer als die AfD in Deutschland. Ist das möglich?
Belege, dass die Zählweise manipuliert worden sein könnte, gibt es bisher noch keine. Jedoch könnte die Anzahl der Mitglieder inflationär dargestellt werden. Es kann jeder – unabhängig von seiner Überzeugung – Mitglied werden – auch ohne Beiträge zu zahlen. Auch reicht bereits die Anmeldung mit einer x-beliebigen E-Mai-Adresse aus, um aufgenommen zu werden. "Neumitglieder" könnten auch lediglich Besucher sein, die auf der Webseite landen und getrackt werden. So könnte ungefragt jeder Mitglied werden – theoretisch auch Haustiere.
– Quelle:
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