Fast jeder hat schon einmal mit dem Gedanken gespielt - was wäre, wenn....
Manchmal ist es doch so: man kommt in ein Land, in eine Stadt, für einen Urlaub von ein oder zwei Wochen. Es macht nach einigen Tagen "klick" und man sagt sich: "Hier will ich bleiben." So ging es mir auch.. allerdings nicht in Alanya. Es war Madrid. Zuhause angekommen erwartete mich nicht nur ein Stellenangebot bei einer Zeitung in Madrid, sondern auch die Nachricht, dass ich den Aufnahmetest für das Fachabitur Fachrichtung Gestaltung bestanden habe.
Die Entscheidung fiel für das Fachabi, da ich mir dachte: "ins Ausland kannst Du immer noch irgendwie, ob Du noch mal die Aufnahmeprüfung für eine renommierte Gestaltungsschule bestehst, ist immerhin fraglich." Wiesbaden war auch definitiv näher als Madrid, Oma sagte "In den nächsten Hecken schneid´t man die besten Stecken" - und so blieb es dabei und ich in Deutschland.
Mehrere Jahre später, um einige Zeugnisse und Erfahrungen reicher, war ich wieder mal an einem persönlichen Nullpunkt angelangt und was tut man in so einem Fall? Mann fährt mal in Urlaub. Internet war damals (1995) nur was für richtige Freaks, also ging es ins Reisebüro meines Vertrauens. Dieses empfahl mir Alanya in der Türkei. Alanya? Türkei? Irgendwo da rechts unten auf der Landkarte. Ob als Frau allein möglich, darüber machte ich mir keine Gedanken (war auch nicht nötig, wie sich herausstellte, selbst für ziemlich unternehmungslustige alleinreisende Frauen absolut kein Problem.)
Naja - hier setzte dann die allbekannte Story an: alleinreisende, frisch frustrierte deutsche Frau trifft charmanten Türken - diese Geschichte wird in der Regel überschrieben mit "Meiner ist aber ganz anders". Ich hatte Glück und habe auch wirklich die Nadel im Heuhaufen gefunden. Daraus resultierte ein jahrelanges Hin und Her, bis meine vergraben geglaubten Träume von einem Leben im Süden wieder zum Vorschein kamen...
Das Angebot eines deutschen Maklers in Alanya schien mir daher wie ein Wink des Schicksals... "Zum Traum bitte hier entlang" - es klang auch alles sehr seriös, die Stellenanzeige auf der Webseite des Arbeitsamtes, die drei Tage Probearbeiten im August 2000 waren spitze. Dass mich viele warnten, wollte ich nicht hören und vertraute darauf, dass ich ja ein kluges Mädchen bin und es schon gut gehen würde.
Kurz und gut, der Makler und das Drumherum war eine Katastrophe, aus der man eine eigene Soap machen könnte. Zwar hatte ich mich damals um die Formalitäten vorab gekümmert, aber - wie ich heute weiss - ohne eine stabile finanzielle Basis im Rücken muss man verdammt viel Glück haben, wenn man im türkischen Arbeitsleben nicht mindestens emotional (oft auch finanziell) draufzahlen will.
Ich habe mittlerweile viele kommen und besonders wieder gehen sehen. Die Gründe sind unterschiedlich. Die meisten, die wieder gehen, haben entweder keine finanziellen Mittel mehr - oder keinen Rückhalt in ihrem türkischen Umfeld.
Dass es sich leichter lebt, wenn man Geld aus Deutschland bezieht, ist eine Binsenweisheit. Mit monatlichen Einkünften ohne zu arbeiten lebt es sich auch in Deutschland wesentlich angenehmer als man das als Arbeitnehmer kann.
Trotzdem geht es erstaunlich oft gerade bei denen, die finanziell unabhängig sind, in die Hose. Warum? Sie können sich, wenn sie das wollen, in ihre deutsche Enklave einkuscheln. Das ist oft verbunden mit einem leisen - oder lauteren Überlegenheitsgefühl. Türken werden eingeteilt in lästige Nachbarn, nette Verkäufer und "Freunde", die oft Restaurant- oder Geschäftsinhaber sind und ein handfestes Interesse an der Freundschaft haben. Die Frage nach dem Erlernen der Sprache stellt sich oft nicht - Türkisch ist schwer und ausserdem "sprechen doch alle Deutsch hier". Natürlich kommt man mit Deutsch oder mindestens Englisch im Alltag problemlos weiter. Aber wirklich ankommen kann man nur, wenn man sich mit den Leuten unterhalten kann. Und zwar in ihrer Sprache. Viele Probleme, die bei den Residenten beklagt werden, haben eine Ursache: fehlende Integration.
Was von den Türken in Deutschland als selbstverständlich erwartet wird, scheint für viele Deutsche in der Türkei keinerlei Notwendigkeit zu haben. Das betrifft nicht nur die Sprache, sondern auch die Bereitschaft, sich auf die Kultur und die Gepflogenheiten des Landes einzulassen. Oft ist es aber auch entweder eine blinde Begeisterung über das Land, die besonders gerne von den nicht gerade seltenen schwarzen Schafen in Alanya ausgenutzt wird - oder das genaue Gegenteil: das Gefühl, dass man sowieso schlauer ist als alle anderen und genau aus dieser Überheblichkeit wichtige Details übersieht.
Bei mir war es anfangs die blinde Begeisterung und Kritiklosigkeit, die mich hätte scheitern lassen können, wenn ich nicht eine ganze türkische Familie (die komplett in Alanya lebt) hinter mir gehabt hätte. Und zu diesem Zeitpunkt waren wir nicht mal verheiratet und haben *pfuipfui* ohne Trauschein zusammen gelebt.
Was sind Eure Erfahrungen in Alanya, in der Türkei?
Martina