«Anadolu Ateþi» (Anatolisches
Verfasst: Do 11. Jun 2009, 15:42
Mustafa Erdoðan: «Anatolien ist ein Land des Friedens»
Mit der Truppe «Anadolu Ateþi» (Anatolisches
Feuer) hat er es als erster in der Türkei geschafft, ein
weltberühmtes Tanzensemble zu gründen: Für den 44-jährigen Mustafa
Erdoðan, in Hakkari geboren und künstlerischer Leiter des Ensembles,
ist Tanzen Leidenschaft. Erdoðan, der Universitätsabschlüsse in
Philosophie und Verwaltungswissenschaften hat und auch eine Zeitlang
als Journalist tätig war, beschäftigte sich schon vor, insbesondere
aber während seines Studiums intensiv mit Volkstänzen und gewann mit
seinen Gruppen auf Festivals und Wettbewerben im In- und Ausland
zahlreiche Preise. Im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur dpa
sprach Erdoðan in München über sein in der Türkei bahnbrechendes
Ensemble.
Wie kamen Sie auf die Idee, das Tanzensemble «Anatolisches Feuer» zu
gründen? Gab es andere Ensembles, die Sie beeinflussten?
Erdoðan: Ich habe mich schon seit der Grundschule für Volkstanz
interessiert. Später beschäftigte ich mich an der Mittel- und
Oberschule, insbesondere aber an der Universität intensiv mit dem
Thema. Damals wurde in der ehemaligen Sowjetunion in Sachen Tanz
fantastische Arbeit geleistet. Insbesondere die Truppen von Igor
Moissejew hatten für mich Vorbildcharakter. Das von Moissejew
geleitete Ensemble ließ sich bei der Erarbeitung moderner Tanzshows
von der reichen Tanzkultur im sowjetischen Raum anregen. Bei meiner
künstlerischen Entwicklung habe ich mich an diesem Ensemble
orientiert, und ich betrachte Igor Moissejew als mein Vorbild. Ich
hatte auch Gelegenheit, ihn persönlich kennenzulernen: Ich war in
Russland an seiner Schule, unterrichtete sogar und nahm auch am
Unterricht teil. 1999 kehrte ich in die Türkei zurück. Später
entwickelten wir dann unser eigenes Modell, auf das gestützt wir
unser Ensemble gründeten.
Woher kommt der Name «Anatolisches Feuer»?
Erdoðan: Ursprünglich war der Name des Ensembles «Sultans of the
Dance» und der Name der Show «Anatolisches Feuer». Nachdem wir uns
von unserem Produzenten getrennt hatten, setzten wir unsere Arbeit
unter dem Namen «Anatolisches Feuer» fort. «Anatolisches Feuer» war
der Name des Szenarios, das ich geschrieben hatte. Später haben wir
dann auch das Ensemble so benannt. Jetzt haben wir mehrere Shows, die
Show «Anatolisches Feuer - Klassik» sowie die Shows «Anatolisches
Feuer - Evolution» und «Anatolisches Feuer - Troja».
Ist Ihr Tanzensemble eine internationale Organisation?
Erdoðan: Junge Leute aus der Türkei werden bevorzugt in unsere Truppe
aufgenommen. In den ersten Jahren stellten wir kaum ausländische
Tänzer ein, einmal abgesehen von einer in der Türkei lebenden
Schottin. Da es aber in den Ländern, die wir besuchten, starkes
Interesse gab, begannen wir, auch Tänzer aus anderen Ländern
aufzunehmen. Derzeit haben wir in unserem Ensemble Mitglieder aus der
Ukraine, Georgien, den Niederlanden und Bulgarien. Wir halten den
Anteil ausländischer Tänzer allerdings niedrig, uns ist es lieber,
wir setzen einen Schwerpunkt auf die Arbeit mit Nachwuchs aus dem
eigenen Land.
Worauf achten Sie bei Bewerbern? Lernen sie erst bei Ihnen zu tanzen?
Erdoðan: Wir schauen vor allem, ob sie Talent haben. Aufgrund unserer
Erfahrung merken wir gleich, ob jemand talentiert ist oder nicht. Wir
können schnell herausfinden, ob jemand in körperlicher Hinsicht zum
Tanzen geeignet ist. Unter unseren heutigen Vortänzern gibt es
welche, die vorher noch nie getanzt hatten. Wer zu uns kommt, fängt
überwiegend erst bei uns mit dem Tanzen an. Wir fungieren also als
eine Art Schule. An keiner anderen Schule gibt es ein Repertoire wie
bei uns: Wir bilden unsere Tänzer mit theoretischem und praktischem
Unterricht in Ballett, modernem Tanz, Volkstänzen, Rhythmik und Musik
aus. Es gibt allerdings auch Teilnehmer, die zuvor schon
Tanzunterricht hatten.
Ist es unter türkischen Bedingungen schwierig, ein größeres
Tanzensemble aufzubauen?
Erdoðan: Natürlich gibt es gewisse Schwierigkeiten. Da es in der
Türkei keine Schulen für die Tanzausbildung gibt, müssen wir das
selber übernehmen, das wäre schon mal ein erstes Hindernis. Zum
zweiten gab es vor uns in der Türkei kein Tanzpublikum, keine
Tanzkultur. Wir haben uns deshalb verpflichtet gefühlt, diese Kultur
zu verbreiten. Derzeit gibt es in der Türkei schon ein viel größeres
Interesse an Tanzshows. Bislang hatten wir einige Probleme, weil wir
vom Staat nicht hinreichend unterstützt wurden. Jetzt haben wir
allerdings für unsere neuen Projekte eine gewisse Unterstützung
erhalten.
Es dürfte doch sicher schwierig für Sie sein, mit einer so großen
Gruppe zu arbeiten.
Erdoðan: Ja natürlich, wenn man mit so vielen jungen Menschen
zusammenarbeitet, können sich schon einige Schwierigkeiten ergeben.
Was uns zusammenhält, ist der Glaube an unsere Arbeit, der Respekt
vor der Kultur unserer Heimat und unsere Arbeitsdisziplin, und dass
wir weltweit Erfolg haben, motiviert uns beim Tanzen und stärkt die
Gruppenbindung.
Was wollen Sie Ihren Zuschauern mit dem «Anatolischen Feuer» sagen?
Erdoðan: Anatolien ist ein kulturell ausgesprochen reiches Stück
Erde, und seine unverwechselbare Geschichte verleiht Anatolien Tiefe.
In Anatolien leben verschiedene Kulturen zusammen. Daraus erwächst
Anatolien ein unglaublicher Reichtum an Formen und Farben. Anatolien
ist ein Land des Friedens, gleichsam ein buntes Blumenmotiv, das alle
Farben in sich vereinigt. In diesem Zusammenhang spielt auch die
starke und differenzierte Tanzkultur Anatoliens eine wichtige Rolle.
Das ist die Botschaft unserer Tänze. Wir wollen eine universelle
Friedensbotschaft übermitteln. Wir wollen den Frieden, der in der
Geschichte auf anatolischem Boden gegeben war, auf der Bühne mit
unseren Tänzen als Modell für die gesamte Menschheit darstellen.
Was ist der Grund dafür, dass Ihre Aufführungen mit dem Feuer des
Prometheus beginnen?
Erdoðan: Das ist eigentlich auch einer der Gründe, wieso das Ensemble
«Anatolisches Feuer» heißt. Die Wurzeln der Glaubensformen in
Anatolien liegen im Feuerkult. Im Schamanismus, Zoroastrismus,
Jesidentum und in den antiken Religionen wurde der Feuerkult als
wichtiges religiöses und kulturelles Motiv verwendet. Ausgehend von
dieser Überlegung beginnt unsere Erzählung in der Vergangenheit, und
deshalb ist das Feuer für uns ein wichtiges Symbol. Prometheus
stiehlt den Göttern das Feuer und bringt es den Menschen. So entsteht
die Menschheit. Das ist der Gehalt der mythologischen Geschichte, die
wir erzählen. In Anatolien gibt es auch viele Feuertänze. Heute noch
feiert man bei jeder Gelegenheit, zum Beispiel bei Hochzeiten oder
Frühlingsfeiern, indem man um ein Feuer tanzt. Wenn man sich das
genauer anschaut, stellt man fest, dass es in unserer Kultur einen
historisch tief verwurzelten Feuerkult gibt, dessen Spuren heute noch
zu sehen sind. Auch als Symbol finde ich das sehr ansprechend. Es hat
auf der Bühne visuell eine ausgesprochen positive Wirkung.
Was für einen Bezug gibt es zwischen Mythologie und dem «Anatolischen
Feuer»?
Erdoðan: Den Hintergrund unserer Show schmücken mythologische
Geschichten und Sagen. Wir zeigen, dass es sich bei den anatolischen
Volkstänzen um mythologisch begründete Tänze aus der antiken
städtischen Kultur des alten Anatolien handelt. In unseren Tänzen
herrscht eine unglaubliche Harmonie. Wenn man sich die Wurzeln
unserer Tänze anschaut, wird man feststellen, dass sie 10 000 Jahre
zurückreichen. Wir bringen jahrtausendealte Rituale auf die Bühne. In
den Reliefs, von denen wir uns inspirieren lassen, vereinigen sich
für uns die Choreographie und das Visuelle. Vor jeder Show erstellen
wir erst einmal eine historische Studie. So untersuchen wir etwa,
welchen Charakter die Tänze in Anatolien im Zeitalter von Prometheus
hatten beziehungsweise haben konnten, oder, wenn wir von Troja
erzählen, wie die Tänze aussahen, die man in Troja kannte.
Haben Sie neue Pläne?
Erdoðan: Wir planen, eine Schule zu eröffnen. Derzeit haben wir
Gruppen in Istanbul, Antalya und Izmir. Die Arbeit in unseren Schulen
geht weiter, wir bilden neue Tänzer aus. Langfristig planen wir, auch
in Europa eine Schule zu eröffnen. Die Schule soll in Deutschland
oder den Niederlanden gegründet werden. An den Plänen hierfür wird
derzeit noch intensiv gearbeitet.
Wo ist das Publikum Ihrer Meinung nach euphorischer?
Erdoðan: Die Zuschauer in Europa sind ausgesprochen euphorisch, aber
die Zuschauer in Amerika sind sehr viel emotionaler, in Amerika zeigt
sich einem die Reaktionen des Publikums ganz unmittelbar. Bei
Aufführungen in Europa und Amerika bekommt man jeweils eine ganz
andere Energie.
Warum zeigen Sie am Ende der Show die türkische Flagge? Was wollen
Sie damit symbolisieren?
Erdoðan: Normalerweise sind Tanz und die Türkei nicht unbedingt
Begriffe, die man miteinander in Verbindung bringt. Wenn man hingegen
zum Beispiel Spanien und Tanz sagt, dann sagt man hm, das passt. Weil
das aber bei der Türkei und Tanz nicht so ist, wollten wir das
einerseits betonen, andererseits machen wir das aber auch, weil wir
mit öffentlichen Mitteln aus dem Präsentationsfonds unterstützt
werden.
Mit der Truppe «Anadolu Ateþi» (Anatolisches
Feuer) hat er es als erster in der Türkei geschafft, ein
weltberühmtes Tanzensemble zu gründen: Für den 44-jährigen Mustafa
Erdoðan, in Hakkari geboren und künstlerischer Leiter des Ensembles,
ist Tanzen Leidenschaft. Erdoðan, der Universitätsabschlüsse in
Philosophie und Verwaltungswissenschaften hat und auch eine Zeitlang
als Journalist tätig war, beschäftigte sich schon vor, insbesondere
aber während seines Studiums intensiv mit Volkstänzen und gewann mit
seinen Gruppen auf Festivals und Wettbewerben im In- und Ausland
zahlreiche Preise. Im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur dpa
sprach Erdoðan in München über sein in der Türkei bahnbrechendes
Ensemble.
Wie kamen Sie auf die Idee, das Tanzensemble «Anatolisches Feuer» zu
gründen? Gab es andere Ensembles, die Sie beeinflussten?
Erdoðan: Ich habe mich schon seit der Grundschule für Volkstanz
interessiert. Später beschäftigte ich mich an der Mittel- und
Oberschule, insbesondere aber an der Universität intensiv mit dem
Thema. Damals wurde in der ehemaligen Sowjetunion in Sachen Tanz
fantastische Arbeit geleistet. Insbesondere die Truppen von Igor
Moissejew hatten für mich Vorbildcharakter. Das von Moissejew
geleitete Ensemble ließ sich bei der Erarbeitung moderner Tanzshows
von der reichen Tanzkultur im sowjetischen Raum anregen. Bei meiner
künstlerischen Entwicklung habe ich mich an diesem Ensemble
orientiert, und ich betrachte Igor Moissejew als mein Vorbild. Ich
hatte auch Gelegenheit, ihn persönlich kennenzulernen: Ich war in
Russland an seiner Schule, unterrichtete sogar und nahm auch am
Unterricht teil. 1999 kehrte ich in die Türkei zurück. Später
entwickelten wir dann unser eigenes Modell, auf das gestützt wir
unser Ensemble gründeten.
Woher kommt der Name «Anatolisches Feuer»?
Erdoðan: Ursprünglich war der Name des Ensembles «Sultans of the
Dance» und der Name der Show «Anatolisches Feuer». Nachdem wir uns
von unserem Produzenten getrennt hatten, setzten wir unsere Arbeit
unter dem Namen «Anatolisches Feuer» fort. «Anatolisches Feuer» war
der Name des Szenarios, das ich geschrieben hatte. Später haben wir
dann auch das Ensemble so benannt. Jetzt haben wir mehrere Shows, die
Show «Anatolisches Feuer - Klassik» sowie die Shows «Anatolisches
Feuer - Evolution» und «Anatolisches Feuer - Troja».
Ist Ihr Tanzensemble eine internationale Organisation?
Erdoðan: Junge Leute aus der Türkei werden bevorzugt in unsere Truppe
aufgenommen. In den ersten Jahren stellten wir kaum ausländische
Tänzer ein, einmal abgesehen von einer in der Türkei lebenden
Schottin. Da es aber in den Ländern, die wir besuchten, starkes
Interesse gab, begannen wir, auch Tänzer aus anderen Ländern
aufzunehmen. Derzeit haben wir in unserem Ensemble Mitglieder aus der
Ukraine, Georgien, den Niederlanden und Bulgarien. Wir halten den
Anteil ausländischer Tänzer allerdings niedrig, uns ist es lieber,
wir setzen einen Schwerpunkt auf die Arbeit mit Nachwuchs aus dem
eigenen Land.
Worauf achten Sie bei Bewerbern? Lernen sie erst bei Ihnen zu tanzen?
Erdoðan: Wir schauen vor allem, ob sie Talent haben. Aufgrund unserer
Erfahrung merken wir gleich, ob jemand talentiert ist oder nicht. Wir
können schnell herausfinden, ob jemand in körperlicher Hinsicht zum
Tanzen geeignet ist. Unter unseren heutigen Vortänzern gibt es
welche, die vorher noch nie getanzt hatten. Wer zu uns kommt, fängt
überwiegend erst bei uns mit dem Tanzen an. Wir fungieren also als
eine Art Schule. An keiner anderen Schule gibt es ein Repertoire wie
bei uns: Wir bilden unsere Tänzer mit theoretischem und praktischem
Unterricht in Ballett, modernem Tanz, Volkstänzen, Rhythmik und Musik
aus. Es gibt allerdings auch Teilnehmer, die zuvor schon
Tanzunterricht hatten.
Ist es unter türkischen Bedingungen schwierig, ein größeres
Tanzensemble aufzubauen?
Erdoðan: Natürlich gibt es gewisse Schwierigkeiten. Da es in der
Türkei keine Schulen für die Tanzausbildung gibt, müssen wir das
selber übernehmen, das wäre schon mal ein erstes Hindernis. Zum
zweiten gab es vor uns in der Türkei kein Tanzpublikum, keine
Tanzkultur. Wir haben uns deshalb verpflichtet gefühlt, diese Kultur
zu verbreiten. Derzeit gibt es in der Türkei schon ein viel größeres
Interesse an Tanzshows. Bislang hatten wir einige Probleme, weil wir
vom Staat nicht hinreichend unterstützt wurden. Jetzt haben wir
allerdings für unsere neuen Projekte eine gewisse Unterstützung
erhalten.
Es dürfte doch sicher schwierig für Sie sein, mit einer so großen
Gruppe zu arbeiten.
Erdoðan: Ja natürlich, wenn man mit so vielen jungen Menschen
zusammenarbeitet, können sich schon einige Schwierigkeiten ergeben.
Was uns zusammenhält, ist der Glaube an unsere Arbeit, der Respekt
vor der Kultur unserer Heimat und unsere Arbeitsdisziplin, und dass
wir weltweit Erfolg haben, motiviert uns beim Tanzen und stärkt die
Gruppenbindung.
Was wollen Sie Ihren Zuschauern mit dem «Anatolischen Feuer» sagen?
Erdoðan: Anatolien ist ein kulturell ausgesprochen reiches Stück
Erde, und seine unverwechselbare Geschichte verleiht Anatolien Tiefe.
In Anatolien leben verschiedene Kulturen zusammen. Daraus erwächst
Anatolien ein unglaublicher Reichtum an Formen und Farben. Anatolien
ist ein Land des Friedens, gleichsam ein buntes Blumenmotiv, das alle
Farben in sich vereinigt. In diesem Zusammenhang spielt auch die
starke und differenzierte Tanzkultur Anatoliens eine wichtige Rolle.
Das ist die Botschaft unserer Tänze. Wir wollen eine universelle
Friedensbotschaft übermitteln. Wir wollen den Frieden, der in der
Geschichte auf anatolischem Boden gegeben war, auf der Bühne mit
unseren Tänzen als Modell für die gesamte Menschheit darstellen.
Was ist der Grund dafür, dass Ihre Aufführungen mit dem Feuer des
Prometheus beginnen?
Erdoðan: Das ist eigentlich auch einer der Gründe, wieso das Ensemble
«Anatolisches Feuer» heißt. Die Wurzeln der Glaubensformen in
Anatolien liegen im Feuerkult. Im Schamanismus, Zoroastrismus,
Jesidentum und in den antiken Religionen wurde der Feuerkult als
wichtiges religiöses und kulturelles Motiv verwendet. Ausgehend von
dieser Überlegung beginnt unsere Erzählung in der Vergangenheit, und
deshalb ist das Feuer für uns ein wichtiges Symbol. Prometheus
stiehlt den Göttern das Feuer und bringt es den Menschen. So entsteht
die Menschheit. Das ist der Gehalt der mythologischen Geschichte, die
wir erzählen. In Anatolien gibt es auch viele Feuertänze. Heute noch
feiert man bei jeder Gelegenheit, zum Beispiel bei Hochzeiten oder
Frühlingsfeiern, indem man um ein Feuer tanzt. Wenn man sich das
genauer anschaut, stellt man fest, dass es in unserer Kultur einen
historisch tief verwurzelten Feuerkult gibt, dessen Spuren heute noch
zu sehen sind. Auch als Symbol finde ich das sehr ansprechend. Es hat
auf der Bühne visuell eine ausgesprochen positive Wirkung.
Was für einen Bezug gibt es zwischen Mythologie und dem «Anatolischen
Feuer»?
Erdoðan: Den Hintergrund unserer Show schmücken mythologische
Geschichten und Sagen. Wir zeigen, dass es sich bei den anatolischen
Volkstänzen um mythologisch begründete Tänze aus der antiken
städtischen Kultur des alten Anatolien handelt. In unseren Tänzen
herrscht eine unglaubliche Harmonie. Wenn man sich die Wurzeln
unserer Tänze anschaut, wird man feststellen, dass sie 10 000 Jahre
zurückreichen. Wir bringen jahrtausendealte Rituale auf die Bühne. In
den Reliefs, von denen wir uns inspirieren lassen, vereinigen sich
für uns die Choreographie und das Visuelle. Vor jeder Show erstellen
wir erst einmal eine historische Studie. So untersuchen wir etwa,
welchen Charakter die Tänze in Anatolien im Zeitalter von Prometheus
hatten beziehungsweise haben konnten, oder, wenn wir von Troja
erzählen, wie die Tänze aussahen, die man in Troja kannte.
Haben Sie neue Pläne?
Erdoðan: Wir planen, eine Schule zu eröffnen. Derzeit haben wir
Gruppen in Istanbul, Antalya und Izmir. Die Arbeit in unseren Schulen
geht weiter, wir bilden neue Tänzer aus. Langfristig planen wir, auch
in Europa eine Schule zu eröffnen. Die Schule soll in Deutschland
oder den Niederlanden gegründet werden. An den Plänen hierfür wird
derzeit noch intensiv gearbeitet.
Wo ist das Publikum Ihrer Meinung nach euphorischer?
Erdoðan: Die Zuschauer in Europa sind ausgesprochen euphorisch, aber
die Zuschauer in Amerika sind sehr viel emotionaler, in Amerika zeigt
sich einem die Reaktionen des Publikums ganz unmittelbar. Bei
Aufführungen in Europa und Amerika bekommt man jeweils eine ganz
andere Energie.
Warum zeigen Sie am Ende der Show die türkische Flagge? Was wollen
Sie damit symbolisieren?
Erdoðan: Normalerweise sind Tanz und die Türkei nicht unbedingt
Begriffe, die man miteinander in Verbindung bringt. Wenn man hingegen
zum Beispiel Spanien und Tanz sagt, dann sagt man hm, das passt. Weil
das aber bei der Türkei und Tanz nicht so ist, wollten wir das
einerseits betonen, andererseits machen wir das aber auch, weil wir
mit öffentlichen Mitteln aus dem Präsentationsfonds unterstützt
werden.