von Martina » So 31. Jul 2011, 16:50
Bei der letzten Aussage verwechselst Du was. Man kann auch sagen: ich halte das Fasten für gesundheitsschädlich und sinnlos, aber auf das "schwachsinnig" kann man durchaus verzichten. Freie Meinungsäusserung beinhaltet nicht den Freibrief zu Beleidigung oder Verletzung der Gefühle von anderen.
Es geht nur darum, dass es respektlos ist, sich über Dinge lustig zu machen, die man nicht versteht. Hier in Alanya wird z.B. ganz offen und wertfrei gefragt: "Fastest Du dieses Jahr?" Wenn einer Nein sagt, fragt kaum einer nach, warum nicht.
Meinungsfreiheit - gerade bei Religionsfragen - sollte gerade da mit Vorsicht genossen werden, wo Gefühle anderer verletzt werden. Es gibt auch viele, die einfach sagen: "mir ist das zu stressig, wenn ich mich den ganzen Tag mit Touris rumärgern muss und dabei auf die Zigarette verzichte, das ist schon fahrlässige Körperverletzung..." Arm dran sind natürlich diejenigen, die nicht wirklich wollen, aber aus gesellschaftlichen/familiären Druck fasten müssen.
Was ich auch nicht verstehen kann, ist diese Mär vom zeitversetzen Schlemmen.
Das, was die meisten Nichtmuslime von Fastenbrechen-Essen persönlich mitbekommen, sind die geselligen Anlässe, bei denen entweder aus geschäftlichen Gründen oder weil besondere Gäste kommen (Eltern, weiter entfernt wohnende Familien oder andere wichtige Besucher, worunter z.B. Du als Ausländer auch fällst) entsprechend aufgefahren wird.
Was sie ansonsten "serviert" bekommen, sind eben Berichte von Völlerei und so weiter. Die gibt es, genau wie diejenigen Männer, deren Frau brav daheim sitzt und fastet, während er im Kahvehane sitzt und bei einem Glas Tee seine Zigaretten qualmt. Oder - selbst erlebt - wie eine ganze Familie in der Tiefgarage im Kipa im Auto jeder ein Eis schnabulierte. Oder diejenigen Türken, die demonstrativ mit einer Flasche Wasser in der Hand rum laufen - als Statement "seht her, ich faste nicht".
Neuerdings gibt es sogar viele, die nur auf das Essen und Rauchen verzichten, nicht aber auf das Trinken. Oder die einfach nur im Ramazan keinen Alkohol trinken und nur in diesem Monat ihre Gebete verrichten. Oder Frauen, die nur in diesem Monat als Tribut ein Kopftuch tragen (meine Putzfrau z.B. die wegen Diabetes nicht fasten darf, aber als "wiedergutmachung" wie sie es nennt, nur im Ramazan Kopftuch trägt und betet). Wie er/sie das handhabt, bleibt jedem selbst überlassen. Zumindest in meinem Umkreis. Und der ist in Alanya ziemlich groß.
Wir sind im Ramazan meist so ein- bis zweimal die Woche zum Fastenbrechen eingeladen und haben auch im Gegenzug so ein- bis zweimal pro Woche Gäste. Kommen Geschäftspartner, dann gibt es schon mal 5 Gänge inklusive Fleisch (Braten) oder guten Fisch, kommen Freunde und/oder Familie, gibt es ganz normales Abendessen. Ausnahme: es gibt immer eine Suppe vorneweg und was Süsses hinterher.
Letztendlich bleibt es jedem selbst überlassen, ob er fastet oder nicht - Ich verstehe es einfach nicht, dass man sich immer für eine so persönliche Entscheidung rechtfertigen muss.