Woran scheitert es... und wann klappts?

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Woran scheitert es... und wann klappts?

Beitragvon Martina » Mo 28. Apr 2008, 21:32

Fast jeder hat schon einmal mit dem Gedanken gespielt - was wäre, wenn....

Manchmal ist es doch so: man kommt in ein Land, in eine Stadt, für einen Urlaub von ein oder zwei Wochen. Es macht nach einigen Tagen "klick" und man sagt sich: "Hier will ich bleiben." So ging es mir auch.. allerdings nicht in Alanya. Es war Madrid. Zuhause angekommen erwartete mich nicht nur ein Stellenangebot bei einer Zeitung in Madrid, sondern auch die Nachricht, dass ich den Aufnahmetest für das Fachabitur Fachrichtung Gestaltung bestanden habe.

Die Entscheidung fiel für das Fachabi, da ich mir dachte: "ins Ausland kannst Du immer noch irgendwie, ob Du noch mal die Aufnahmeprüfung für eine renommierte Gestaltungsschule bestehst, ist immerhin fraglich." Wiesbaden war auch definitiv näher als Madrid, Oma sagte "In den nächsten Hecken schneid´t man die besten Stecken" - und so blieb es dabei und ich in Deutschland.

Mehrere Jahre später, um einige Zeugnisse und Erfahrungen reicher, war ich wieder mal an einem persönlichen Nullpunkt angelangt und was tut man in so einem Fall? Mann fährt mal in Urlaub. Internet war damals (1995) nur was für richtige Freaks, also ging es ins Reisebüro meines Vertrauens. Dieses empfahl mir Alanya in der Türkei. Alanya? Türkei? Irgendwo da rechts unten auf der Landkarte. Ob als Frau allein möglich, darüber machte ich mir keine Gedanken (war auch nicht nötig, wie sich herausstellte, selbst für ziemlich unternehmungslustige alleinreisende Frauen absolut kein Problem.)

Naja - hier setzte dann die allbekannte Story an: alleinreisende, frisch frustrierte deutsche Frau trifft charmanten Türken :-) - diese Geschichte wird in der Regel überschrieben mit "Meiner ist aber ganz anders". Ich hatte Glück und habe auch wirklich die Nadel im Heuhaufen gefunden. Daraus resultierte ein jahrelanges Hin und Her, bis meine vergraben geglaubten Träume von einem Leben im Süden wieder zum Vorschein kamen...

Das Angebot eines deutschen Maklers in Alanya schien mir daher wie ein Wink des Schicksals... "Zum Traum bitte hier entlang" - es klang auch alles sehr seriös, die Stellenanzeige auf der Webseite des Arbeitsamtes, die drei Tage Probearbeiten im August 2000 waren spitze. Dass mich viele warnten, wollte ich nicht hören und vertraute darauf, dass ich ja ein kluges Mädchen bin und es schon gut gehen würde.

Kurz und gut, der Makler und das Drumherum war eine Katastrophe, aus der man eine eigene Soap machen könnte. Zwar hatte ich mich damals um die Formalitäten vorab gekümmert, aber - wie ich heute weiss - ohne eine stabile finanzielle Basis im Rücken muss man verdammt viel Glück haben, wenn man im türkischen Arbeitsleben nicht mindestens emotional (oft auch finanziell) draufzahlen will.

Ich habe mittlerweile viele kommen und besonders wieder gehen sehen. Die Gründe sind unterschiedlich. Die meisten, die wieder gehen, haben entweder keine finanziellen Mittel mehr - oder keinen Rückhalt in ihrem türkischen Umfeld.

Dass es sich leichter lebt, wenn man Geld aus Deutschland bezieht, ist eine Binsenweisheit. Mit monatlichen Einkünften ohne zu arbeiten lebt es sich auch in Deutschland wesentlich angenehmer als man das als Arbeitnehmer kann.

Trotzdem geht es erstaunlich oft gerade bei denen, die finanziell unabhängig sind, in die Hose. Warum? Sie können sich, wenn sie das wollen, in ihre deutsche Enklave einkuscheln. Das ist oft verbunden mit einem leisen - oder lauteren Überlegenheitsgefühl. Türken werden eingeteilt in lästige Nachbarn, nette Verkäufer und "Freunde", die oft Restaurant- oder Geschäftsinhaber sind und ein handfestes Interesse an der Freundschaft haben. Die Frage nach dem Erlernen der Sprache stellt sich oft nicht - Türkisch ist schwer und ausserdem "sprechen doch alle Deutsch hier". Natürlich kommt man mit Deutsch oder mindestens Englisch im Alltag problemlos weiter. Aber wirklich ankommen kann man nur, wenn man sich mit den Leuten unterhalten kann. Und zwar in ihrer Sprache. Viele Probleme, die bei den Residenten beklagt werden, haben eine Ursache: fehlende Integration.

Was von den Türken in Deutschland als selbstverständlich erwartet wird, scheint für viele Deutsche in der Türkei keinerlei Notwendigkeit zu haben. Das betrifft nicht nur die Sprache, sondern auch die Bereitschaft, sich auf die Kultur und die Gepflogenheiten des Landes einzulassen. Oft ist es aber auch entweder eine blinde Begeisterung über das Land, die besonders gerne von den nicht gerade seltenen schwarzen Schafen in Alanya ausgenutzt wird - oder das genaue Gegenteil: das Gefühl, dass man sowieso schlauer ist als alle anderen und genau aus dieser Überheblichkeit wichtige Details übersieht.

Bei mir war es anfangs die blinde Begeisterung und Kritiklosigkeit, die mich hätte scheitern lassen können, wenn ich nicht eine ganze türkische Familie (die komplett in Alanya lebt) hinter mir gehabt hätte. Und zu diesem Zeitpunkt waren wir nicht mal verheiratet und haben *pfuipfui* ohne Trauschein zusammen gelebt.

Was sind Eure Erfahrungen in Alanya, in der Türkei?

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Beitragvon oba » Mo 28. Apr 2008, 22:46

Hallo Martina,

vieles von dem, was Du zu Papier gebracht hast, kann ich nur unterstreichen.

Allerdings sehe ich bei einigen Residenten, deren Überheblichkeit zu Tage tritt, irgendwo im Hinterkopf eine gewisse Angst vor dem Neuen, vor dem Unbekannten sitzen. Das führt zu Abwehrreaktion und dazu, dass diese Leute hier nie richtig angekommen sind.

Die zweite Gruppe sind die, den Alanya "gehört", da sie schon soooo lange hier leben und ja schließlich erst Kultur und Wissen hergebracht haben.

Wenns nach ihnen geht, wird das Land in Regionen aufgeteilt, für Holländer, Nordmänner, Englander (Russen erhalten natürlich Zuzugsverbot) und Alanya gehört natürlich den Deutschen. Ein paar Türken wollen sie behalten, zum T-Shirt verkaufen, Rasen mähen usw., der Rest kann ruhig ins Ruhrgebiet, dort können sie mit Landsleuten die türkische Sprache pflegen.

Dann gibts diejenigen, von denen kaum jemand redet, sie fallen halt nicht auf. Das sind die, die sich bemühen, sich anzupassen, fleissig die Sprache lernen, die Unterschiede zwischen "Geschäfts"freunden und echter (schwer zu findender) Freundschaft und auch den Wert guter aber nicht zu enger Nachbarschaft kennen und schätzen gelernt haben.

Die, die ihr Leben leben, sich des Landes und seiner Schönheit erfreuen und dankbar sind (besonders Atatürk), dass sie hier leben können und dürfen.

Es sind die, die nie in einem Fernsehbericht auftreten, dafür aber im Kleinen ständig für die Verständigung zwischen den Nationen arbeiten obwohl sie es nicht als Arbeit sehen.

Es dürfte nicht grade die Minderheit sein, die sich so verhält.

Wer hierher kommt, sollte sich über die Wahlheimat, die Gepflogenheiten, die Menschen und die Sprache Gedanken machen, bevor er/sie den Schritt wagt.

Wer versucht, seinen Problemen im Heimatland durch Auswanderung zu entfliehen, der wird sich meist im neuen Land mit diesen alten Bekannten wiederfinden, nur in größerem Umfang.

Und, Du hast vollkommen recht, mit etwas Geld im Rücken lebt sichs überall leichter, nur, hier mit dem gleichen Geld. steigt der Grad der Leichtigkeit.

Mit einem so gestärkten Rücken, sieht man vielleicht auch einiges lockerer und das fortgeschrittene Alter führt auch dazu, nicht mit rosaroter Brille rumzulaufen (passt ja auch nicht so zu ergrauten Haaren).

Und, wer seine neue Heimat lieben will, der sollte auch seine alte lieben, wer das nicht kann, ist wohl nirgends zu Hause.

Ich wünsche jedem, der den Schritt wagt/gewagt hat, er möge schnell wirklich hier "ankommen" und das finden, was er sucht.

hG

Reiner
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Beitragvon Martina » Mi 30. Apr 2008, 08:58

Hallo Rainer,

das Ankommen ist ja meist das Problem. Aber wer innen drin nicht weiss, wo er ist, der kann auch nirgends ankommen.

LG

Martina
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Beitragvon zeynan » Mi 7. Mai 2008, 21:21

Hallo Martina!
Danke für das neue Forum. Ich bewundere es sehr, wie du das hinkriegst...versuche gerade eine homepage zu erstellen...o je. Neben der Arbeit zeitlich sehr schwer zu realisieren.

Hallo Reiner,

Ich habe mich schlapp gelacht :D , als ich feststellte, dass ich tatsaechlich Atatürk dankbar bin, hier leben zu können!!!! Dabei bin ich von dem Thema oft angenervt...
Nein, ich libe natürlich Atatürk, dass das hier keiner missversteht!!! 8o

Ansonsten stimme ich euch völlig zu. An meiner Schule sah ich viele Deutsche kommen und v.a. gehen. Ich sehe mir das genau an und habe mir auch schon oft überlegt, warum das so oft nicht klappt. Auch aus meiner Sicht liegt es sehr an der Sprache. Nur wenn ich ausreichend Türkisch kann, kann ich enge Freundschaften zu Türken knüpfen und so auch erst viele kulturelle Besonderheiten teilen und verstehen. Ich machte vorher 20 Jahre (individuell nicht pauschal) Urlaub in der Türkei und dachte, ich würde die Türkei und die Kultur schon gut kennen. Dennoch habe ich vieles erst jetzt "erlebt" und aus Sicht eines Türken betrachten können. Dazu kommt hier in Izmir, dass man hier mit Deutsch im Alltag nicht auskommt, so ohne Tourismus.

Ein weiterer Punk ist, denke ich flexibles Denken. Viele, die hier einfach nicht ankommen, vesuchen bei Problemen im Alltag dann doch Klein-Deutschland aus der Türkei zu machen. Ja Martin, ich denke auch aus Überheblichkeit. Aber auc aus starrem Denken heraus. Sie regen sich unendlich auf, auch wenn es nun mal nicht wie in D ist. Beispiele: Warten bei Aemtern, unendliches Teetrinken mit Beleuchten aller persönlichen Umstaende, wie viel Menschen passen in einen Bus?, Sklaverei-Arbeitszeiten. Dabei rege ich mich ja auch manchmal über einiges auf, aber ich versuche zu erkennen, ob man es aendern kann, auch langfristig, lege durchaus Protest ein, aber ich zehre mich nicht auf. Aber die, die hier nicht zurecht kommen, regen sich oft krankhaft und unendlich auf. Schaffen es nicht wenigstens einen Kompromiss zu finden.

Und ohne Geld möchte ich hier auf keinen Fall leben, ehrlich. Die Sorgen wachsen einem schnell über den Kopf. Klar, finde ich auch hier Arbeit, aber mittlerweile möchte ich nicht mehr 12 Stunden arbeiten :( und eine Arbeitserlaubnis zu kriegen..sehr schwer und langwierig!
Die Strafen saftig! Da können sie ganz schön "deutsch-pingelig" sein, wie wir gerade erlebt haben.

Leistungsfaehigkeit ist auch wichtig. In D auch, klar. Aber ich denke oft, Mann war ich in D faul. Hier gibt es so viele Extradienste abends, am WE, auch meist kurzfristig. ých staune, wie selbstverstaendlich das hingenommen wird, troz z.B. wartender Kinder zuhause.

So Liebe Grüsse
zeynan
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