von Martina » Fr 5. Sep 2008, 06:54
Hart aber fair heisst eine Sendung in der ARD, die ja gemeinhin nicht gerade als "Dummfunk" oder als TV-Sender mit Neigung zur Vereinfachung und Polarisierung wahrgenommen wird. Was aber in der letzten Sendung gezeigt wurde, war an Verallgemeinerung kaum zu übertreffen.
Der Diskussionsrunde um das Thema Integration in Deutschland "Deutsch ist, wenn's vom Kirchturm läutet - Wie angepasst müssen Zuwanderer sein?" gehörten die üblichen Verdächtigen an: für den konservativen Standpunkt (die Ausländer sind selbst schuld), Christian Wulff, als sein Gegenpol Hobbytürkin Claudia Roth, Allesversteher und - kommentierer Michael Friedman ("Solange niemand gezwungen wird, ist ein Kopftuch okay"), sein Gegenpol wiederum Serap Cileli, gebürtige Türkin mit Islamophobie und als "Abrundung" die telegene Muslimin Özlem Nas (selbstbestimmte Kopftuchträgerin). Das liess schon nichts gutes erwarten. Aber es kam noch schlimmer, und zwar in Form des Einspielfilmes über Alanya.
Das schreibt der Spiegel:
"Wenn überhaupt etwas bei dieser Diskussionsrunde der Erhellung diente, dann waren es diese Einspielfilme. Besonders gelungen: eine Reportage über die deutsche Rentnerkolonie im türkischen Alanya - von Einheimischen inzwischen "Almanya" genannt.Und siehe da: In der Diaspora legt der Deutsche eine ähnliche Integrationsbereitschaft an den Tag wie mancher Einwanderer aus Anatolien in Berlin-Kreuzberg.
Die örtlichen Speisekartenpreise für Matjes, Schweinebraten oder Currywurst werden in Euro angegeben. An den Kiosken gibt es deutsche Zeitschriften. Und die Deutschen sind stolz auf ihre gewissenhafte Mülltrennung. Fazit des Films: In Alanya bleiben die rund 10.000 Deutschen lieber unter sich, lernen auch nach Jahren nicht die Landessprache und verbringen ihre Freizeit am deutschen Stammtisch mit Skat, Bier oder Bowling."
Abgesehen davon, dass hier in Alanya immer noch nach den 10.000 Deutschen gefahndet wird (realistische Schätzungen gehen von max. 5000 aus, und zwar inklusive der "Langzeiturlauber") wurde hier - wieder mal - ein völlig falsches Bild der Deutschen in Alanya gezeichnet, ob wissentlich oder durch Fehlinformation des Senders, war nicht auszumachen.
Es wurden aber ausschliesslich Deutsche befragt, die zwar in Alanya´s "deutscher Gemeinde" zumindest dem Namen nach bekannte Persönlichkeiten sind, aber alles andere als Ikonen der Integration sind. Allerdings war auch kein einziger Rentner dabei - alle arbeiten mehr oder weniger auch mit Türken zusammen und konnten ihre (Lebens)träume auch nur mit der Hilfe türkischer Partner oder Mitarbeiter verwirklichen. Verwundert hat allerdings, dass mit keinem Wort erwähnt wurde, dass einige der gezeigten Personen nicht nur türkische Ehepartner, sondern auch Kinder in türkischen Schulen und gar den türkischen Pass haben. Zu Wort kamen sie allerdings nicht. Dafür durften andere Kommentare von unerträglicher Arroganz abgeben.
Heraus kam ein peinliches Statement, das in Schützenvereinsgründungsträumen (in Alanya gibt es übrigens einen Jagdverein, dem jeder beitreten kann) und Mülltrennungsphantasien gipfelte. In einem Atemzug wurden die "schönen gepflegten Grünanlagen, sauberen Straßen und niedrigeren Bürgersteige" gelobt und im nächsten Satz der Verlust des orientalischen Flairs betrauert. Bedeutet etwa orientalisches Flair hohe Bürgersteige, vermüllte Straßen und verstaubte Plätze ohne Grün? Oder bedeutet es, in einer gastfreundschaftlichen Atmospäre zu leben, in einer fremdartigen Welt voller Farben, Gerüchen und auch Lärm? Ja, Alanya ist weltläufiger geworden, schöner, grüner, nicht zuletzt durch den europäisch orientierten Bürgermeister der Stadt.
Aber dass allein die Deutschen dieses bewirkt haben, ist doch ein ziemlich hoch gegriffener Anspruch an den eigenen Einfluß. Der Ausländerbeirat der Stadt Alanya, der wirklich vieles bewegt hat und besetzt ist mit Deutschen, Österreichern, Schweizern, Norwegern, Schweden und Finnen wurde im übrigen weder vom Kommentator noch einem der Beteiligten auch nur mit einem Wort erwähnt, vermutlich, weil die Mitglieder keine integrationsunwilligen Rentner sind.
Schade. Was auch immer mit dem Einspielfilm bezweckt wurde (von welcher Seite auch immer) - viele in Alanya lebende Deutsche hoffen jetzt inständig, dass keiner ihrer Bekannten in Deutschland diese Sendung gesehen hat...
Martina
Hart aber fair heisst eine Sendung in der ARD, die ja gemeinhin nicht gerade als "Dummfunk" oder als TV-Sender mit Neigung zur Vereinfachung und Polarisierung wahrgenommen wird. Was aber in der letzten Sendung gezeigt wurde, war an Verallgemeinerung kaum zu übertreffen.
Der Diskussionsrunde um das Thema Integration in Deutschland "Deutsch ist, wenn's vom Kirchturm läutet - Wie angepasst müssen Zuwanderer sein?" gehörten die üblichen Verdächtigen an: für den konservativen Standpunkt (die Ausländer sind selbst schuld), Christian Wulff, als sein Gegenpol Hobbytürkin Claudia Roth, Allesversteher und - kommentierer Michael Friedman ("Solange niemand gezwungen wird, ist ein Kopftuch okay"), sein Gegenpol wiederum Serap Cileli, gebürtige Türkin mit Islamophobie und als "Abrundung" die telegene Muslimin Özlem Nas (selbstbestimmte Kopftuchträgerin). Das liess schon nichts gutes erwarten. Aber es kam noch schlimmer, und zwar in Form des Einspielfilmes über Alanya.
Das schreibt der Spiegel:
"Wenn überhaupt etwas bei dieser Diskussionsrunde der Erhellung diente, dann waren es diese Einspielfilme. Besonders gelungen: eine Reportage über die deutsche Rentnerkolonie im türkischen Alanya - von Einheimischen inzwischen "Almanya" genannt.Und siehe da: In der Diaspora legt der Deutsche eine ähnliche Integrationsbereitschaft an den Tag wie mancher Einwanderer aus Anatolien in Berlin-Kreuzberg.
Die örtlichen Speisekartenpreise für Matjes, Schweinebraten oder Currywurst werden in Euro angegeben. An den Kiosken gibt es deutsche Zeitschriften. Und die Deutschen sind stolz auf ihre gewissenhafte Mülltrennung. Fazit des Films: In Alanya bleiben die rund 10.000 Deutschen lieber unter sich, lernen auch nach Jahren nicht die Landessprache und verbringen ihre Freizeit am deutschen Stammtisch mit Skat, Bier oder Bowling."
Abgesehen davon, dass hier in Alanya immer noch nach den 10.000 Deutschen gefahndet wird (realistische Schätzungen gehen von max. 5000 aus, und zwar inklusive der "Langzeiturlauber") wurde hier - wieder mal - ein völlig falsches Bild der Deutschen in Alanya gezeichnet, ob wissentlich oder durch Fehlinformation des Senders, war nicht auszumachen.
Es wurden aber ausschliesslich Deutsche befragt, die zwar in Alanya´s "deutscher Gemeinde" zumindest dem Namen nach bekannte Persönlichkeiten sind, aber alles andere als Ikonen der Integration sind. Allerdings war auch kein einziger Rentner dabei - alle arbeiten mehr oder weniger auch mit Türken zusammen und konnten ihre (Lebens)träume auch nur mit der Hilfe türkischer Partner oder Mitarbeiter verwirklichen. Verwundert hat allerdings, dass mit keinem Wort erwähnt wurde, dass einige der gezeigten Personen nicht nur türkische Ehepartner, sondern auch Kinder in türkischen Schulen und gar den türkischen Pass haben. Zu Wort kamen sie allerdings nicht. Dafür durften andere Kommentare von unerträglicher Arroganz abgeben.
Heraus kam ein peinliches Statement, das in Schützenvereinsgründungsträumen (in Alanya gibt es übrigens einen Jagdverein, dem jeder beitreten kann) und Mülltrennungsphantasien gipfelte. In einem Atemzug wurden die "schönen gepflegten Grünanlagen, sauberen Straßen und niedrigeren Bürgersteige" gelobt und im nächsten Satz der Verlust des orientalischen Flairs betrauert. Bedeutet etwa orientalisches Flair hohe Bürgersteige, vermüllte Straßen und verstaubte Plätze ohne Grün? Oder bedeutet es, in einer gastfreundschaftlichen Atmospäre zu leben, in einer fremdartigen Welt voller Farben, Gerüchen und auch Lärm? Ja, Alanya ist weltläufiger geworden, schöner, grüner, nicht zuletzt durch den europäisch orientierten Bürgermeister der Stadt.
Aber dass allein die Deutschen dieses bewirkt haben, ist doch ein ziemlich hoch gegriffener Anspruch an den eigenen Einfluß. Der Ausländerbeirat der Stadt Alanya, der wirklich vieles bewegt hat und besetzt ist mit Deutschen, Österreichern, Schweizern, Norwegern, Schweden und Finnen wurde im übrigen weder vom Kommentator noch einem der Beteiligten auch nur mit einem Wort erwähnt, vermutlich, weil die Mitglieder keine integrationsunwilligen Rentner sind.
Schade. Was auch immer mit dem Einspielfilm bezweckt wurde (von welcher Seite auch immer) - viele in Alanya lebende Deutsche hoffen jetzt inständig, dass keiner ihrer Bekannten in Deutschland diese Sendung gesehen hat...
Martina